A., 46 Jahre alt

Mutter von zwei Kindern, getrennt lebend

Bildungswissenschaftlerin, Studentin: Master Bildung und Medien, Ausbildung zum Verfahrensbeistand

 

Ich bin in Lübeck geboren. Ich habe hier meine Kindheit und

meine Jugend verbracht, meine Flügel ausgebreitet und meine

Wurzeln geschlagen. Mein erster Beruf ist Versicherungskauffrau,

habe dann aber danach zeitgleich den Versicherungsfachwirt

und das Abendgymnasium besucht. Ich hatte dann meinen Studienplatz für Wirtschaftspädagogik. Davor bin ich aber noch nach Kanada geflogen, um Englisch zu lernen. Als ich wiederkam, war ich schon im vierten Monat schwanger.

Und dann kam alles anders...

 

Die ersten 8 Jahre meiner Kinder habe ich als Tagesmutter gearbeitet, weil mein damaliger Mann noch studiert hat. Wir haben abgemacht, dass er zuerst studiert und ich Geld verdiene und wenn er Geld verdient bin ich dran.... mit dem Studium. Wirtschaftspädagogik an einer Präsens-Uni lies sich nicht vereinen, aber ich beschloss dann Bildungswissenschaft an der Fernuni zu studieren. Mein Mann hat zwar irgendwann Geld verdient, war aber beruflich nicht vor Ort. So blieb die Organisation von Studium und Familie an mir alleine hängen.


TRAGEN

TRAGEN 1 I Acryl 100 x 200 cm I 2022 I ANDREA LISKE
TRAGEN 2 I Acryl I 2022 I ANDREA LISKE
TRAGEN I Farbe und Geste I 2022 Acryl 70 x 100 cm & Keramik 40 cm I ANDREA LISKE

TRAGEN 1 I Acryl 100 x 200 cm I 2022

 

TRAGEN 2 I Acryl I 2022

 

TRAGEN I Farbe und Geste I 2022

Acryl 70 x 100 cm & Keramik 40 cm

Was ist dir wichtig in deinem Leben?

Das muss ja mehrdimensional beantwortet werden. Ich bin Mutter, Ehefrau und Anne. Als Mutter möchte ich den Kindern Werte mit auf den Weg geben, die sie für ihre Zukunft brauchen, damit sie ihren Platz in der Gesellschaft finden und positive Beziehung pflegen können, ohne dass sie ständig das Gefühl haben, sich optimieren zu müssen.

 

Mir ist es wichtig unabhängig und selbständig zu sein und immer alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, damit ich die bestmögliche Lösung finden kann. Flexibilität und Resilienz sind wichtige Eigenschaften, um Probleme bewältigen zu können, sowohl gesellschaftlich als auch für einen selbst.

Weiterbilden ist mir wichtig, einfach um mitgehen zu können, wenn Gesellschaft sich wandelt. Ich trage die Verantwortung für meine Entscheidungen. Nicht jede Veränderung will ich mitmachen. Da muss ich drüber nachdenken können. Das war auch die Motivation mit dem Studium anzufangen. Ich möchte wissenschaftlich diskutieren können.

 

Was macht dich als Person aus?

Ich höre anderen gerne zu. Mir wurde schon oft gesagt, ich würde die Dinge ganz gut benennen können. Ich kann auch gut für andere da sein, andere unterstützen.

 

Was macht dich glücklich?

Ich liebe es mit meiner Familie im Großen oder nur wir drei, Abenteuer zu machen. Das heißt irgendetwas Verrücktes. So wie den Jakobsweg wandern mit meiner Mutter und meinen Kindern. Das war pures Abenteuer. Wir haben so viel erlebt.

Ich lese auch gerne etwas Neues und tatsächlich lerne ich auch gerne. Mich macht es glücklich, wenn der Tag facettenreich und satt ist. Familie, aber auch mal nur ich. Alles in meinem Tempo ohne Fremdbestimmung. Nur ich entscheide, wann ich etwas was mache und wie.

 

Was ist unverzeihlich für Dich?

Oh, das ist ein großes Wort. Im Kleinen gesehen, kann ich Lug und Betrug nicht guthaben. Das hat was von verratenem Vertrauen.

Ich kann viel geben, aber wenn man das missbraucht, dann drehe ich mich um und gehe. Auch für immer. Unverzeihlich für mich finde ich, wenn ich das Leben nicht auskoste, keine Abenteuer mache, mit mir und meiner Familie, die Kinder nicht genießen würde.

 

Was bedeutet für dich Frau sein?

Frau ist weiblich, Frau ist unabhängig, Frau ist selbständig, Frau wird diskriminiert, Frau ist eben doch abhängig, Frau steckt in Strukturen fest, Frau erlebt doppelte Vergesellschaftung…also die Frau übernimmt meistens die Kinder mit allem was dazu gehört und geht beruflich einer Tätigkeit nach. In beiden Sachen kann sie oft nur 50% geben und das reicht der beruflichen Gesellschaft nicht. Unser System mit seinen Akteuren ist schwerfällig und wenig flexibel.

 

Wie stehst du zur Emanzipation?

Ich glaube meine Emanzipation habe ich damit vollzogen, dass ich unbedingt den Bachelor machen wollte und ich mich angetrieben gefühlt habe, weil ich mich aus dieser Abhängigkeit befreien wollte. Gedanklich und auch finanziell unabhängig.

 

Was bedeutet Gesellschaft für dich?

Gesellschaft stellt die Strukturen zur Verfügung in denen wir leben. Das bedeutet, die Grenze der Integration einer Frau in der Gesellschaft liegt ja in der Art, wie die Gesellschaft uns teilhaben lässt. Wenn die Gesellschaft nicht dafür sorgt, dass Strukturen zur Verfügung gestellt werden, in denen sich Frauen sicher bewegen können, also einer Tätigkeit nachgehen ohne schlechtes Gewissen haben zu müssen, dass Kinder krank werden können. Das der Job in einer höheren Position auch aus zwei Teilzeitjobs bestehen kann, die sich dann zwei Frauen teilen können. Da muss die Gesellschaft flexibler reagieren und z. B. die Care-Arbeit als vollwertige Arbeit anerkennen. Das wäre doch mal ein Paradigmenwechsel. Denn ist

die unbezahlte Arbeit der Frau nicht anerkannt, weil sie unbezahlt

ist oder ist sie unbezahlt, weil sie nicht gesehen wird?

 

Was macht für dich Kultur aus?

Kultur bedeutet Diversität. Der uns innewohnende Habitus ist die verinnerlichte Form eines jeden Menschen wie er geprägt wurde, von welcher Kultur auch immer. Die Essgewohnheiten, der Musikgeschmack, die Kommunikationskultur, die Wertehaltung

und ethische Vorstellung…alles. Den einzelnen Menschen finde ich spannend.

 

Hat Care-Arbeit für dich eine Bedeutung?

Tja, meine Care-Arbeit fand in der Kindererziehung statt. Ich werde hoffentlich für meine Eltern da sein können, später, wenn sie Hilfe brauchen. Das ist dann auch Care-Arbeit aber… sie haben auch sehr viel Liebe, Fürsorge und unendlich viel Energie in mich und meine Schwester investiert. Und vielleicht habe ich auch investiert… in meine spätere Fürsorge von meinen Kindern. Alles freiwillig… so wie ich es bei meinen Eltern tun werde. Ohne meine Eltern hätte ich den

Bachelor nie, nie geschafft. Da haben sie auch Care-Arbeit geleistet.

 

Was ist deine Farbe?

Aubergine und ein helles Gelb.

 

Was ist deine Geste?

Meine Geste ist tragend.